Der Hickengrund im Jahr 1812
von Georg Krumm, Amtmann zu Burbach

Ad 1:    Grenzen

Die vier Dörfer des zum Amt Burbach gehörigen Hickengrundes grenzen im Osten und Süden ans Großherzogtum Berg, im Norden und Westen anden Grund Seel- und Burbach.

Ad 2:    Einteilung

Der ganze Hickengrund bildet ein Kirchspiel und unter dem angeführten Namen eine Unterabteilung des Amtes Burbach und zwar dahin, daß dorten nach der ehemaligen Verfassung bloß Oranien-Nassauische Untertanen wohnten, welche das gemeinschaftliche Regentenverhältnis im Grunde Seel- und Burbach nichts anging.

Ad. 3:    Ortschaften

Die zum Hickengrunde oder dem Kirchspiel Niederdresselndorf gehörigen Dörfer sind

    1. Holzhausen, 3 Mahlmühlen
    2. Niederdresselndorf, 1 Mahlmühle und 1 Pottasche-Siederei
    3. Oberdresselndorf, 2 Mahlmühlen, 1 Schlagmühle
    4. Lützeln

Diese vier Dörfer liegen in einem ungefähr 1 1/2 Stunden langen Grunde, also keines weit von den anderen entfernt. Die einzelnen Gemarkungen grenzen

Ad. 4:    Grenzen jeder Gemarkung

a) von Holzhausen im Osten und Süden an die Gemarkungen der Großherzoglichen Bergischen Stadt Haiger, im Westen an Niederdresselndorfer Gemarkung und im Norden wird diese Holzhauser Gemarkung von dem herrschaftlichen Wald, Die Höh genannt, umgeben

b) von Niederdresselndorf im Osten an die Gemarkungen des gedachten Großherzoglichen Bergischen Dorfes Flammersbach und des Dorfes Holzhausen, im Süden an das Großherzogliche Bergische Dorf Rabenscheid und an Oberdresselndorfer Gemarkung, im Westen an Lützeln und Großherzoglich Bergisches Dorf Liebenscheid, im Norden stößt an diese Gemarkung der herrschaftliche Wald Höh.

c) von Oberdresselndorf im Osten an Niederdresselndorf, im Süden an die Großherzoglich Bergischen Dörfer Rabenscheid und Weißsenberg, im Westen an Liebenscheider, im Norden an Lützelner Gemarkung.

d) von Lützeln im Osten an Niederdresselndorfer, im Süden an Oberdresselndorfer, im Westen an Liebenscheider (Großherzogtum Berg) und Lippischer (Amts Burbach) Gemarkungen, im Norden an die Holzhauser Höhe.

Ad 5. :    Häuserzahl

Holzhausen 134 Wohngebäude, außer denselben 1 Kapelle, 1 Schulhaus,

2 Backhäuser.

Niederdresselndorf 82 Wohnhäuser und außer denselben die Kirchspielskirche, 1 Pfarrhaus,
1 Schulhaus, 1 Backhaus.

Oberdresselndorf 43 Wohnhäuser, 1 Schulhaus, 1 Backhaus.

Lützeln 49 Wohnhäuser, 1 Kapelle, 1 Schulhaus, 1 Backhaus.

Totalbetrag der Wohnhäuser 309.
 

Ad 6: Öffentliche Behörden und Ortsvorgesetzte

Holzhausen

1 Heimberger Johann Görg FAY, 1 Rechnungsführer Martin JUNKER, 4 Vorsteher als Johannes KLAPPERT, Johannes KREUTZ, Johannes RENTSCH, Adam PEIN, 2 Schullehrer Martin ZAMMERT und Johannes FREUND, 4 Kirchspielälteste als Johann Görg FAY, Simon JUNKER, Simon GÖRG, Martin JUNKER.

Niederdresselndorf

1 Prediger RHODIUS, 1 Heimberger Joh. Georg TEXTOR, 3 Vorsteher als Johannes SCHWANN, Joh. Henrich JUNKER, Johannes BÜHL, 3 Kirchenälteste Joh. Simon WIRTH, Joh. SCHMANN, GERMANN, 1 Schullehrer Joh. Görg KLAPPERT, 1 Kirchen- meister.

Oberdresselndorf

1 Heimberger KROMBACH, 3 Vorsteher als Johannes WAHLEN, Joh. STRÖHMANN, Simon THOMAS, 2 Kirchenälteste Johann KROMBACH, Joh. FUHRMANN, 1 Schullehrer Jost Henrich SELHOF.

Lützeln

1 Heimberger Gerlach RÜBSAAMEN, 2 Vorsteher als Simon GÖRG und Gerlach KREUZ, 1 Rechnungsführer Adam SCHUMANN, 2 Kirchenälteste als Görg GÖRG der Dritte und Görg KIEFER, 1 Schullehrer GÖRG.

Der Wirkungskreis des Heimbergers beschränkt sich auf Polizei und Administration, er versieht einige Jahre sein Amt und fordert dann seinen Abschied, weil diese Dienstverwaltung wenig einträgt und deshalb als eine Gemeindslast betrachtet wird, die jedes taugliche Mitglied einige Jahre tragen muß. Diese mangelhafte Einrichtung äußert sich in mancher Hinsicht nachteilig für den Staat, selten versieht der schon bei seiner jedesmal gezwungenen Anstellung auf seine baldige Entlassung hoffende Heimberger seinen Dienst so, wie es sich gebührt, und gewöhnlich bleiben die besten Polizeianstalten und Vorschriften ohne Wirkung, weil sie der erste Ortsvorgesetzte nicht durchsetzt, daher und aus dem Wechsel der Heimberger an und für sich die Notwendigkeit der jährlichen Wiederholung und Einschärfung der Polizeiverfügungen von dem Amte, welche dennoch in den meisten Fällen vergeblich bleiben  Auf Administration sind die Folgen ebenso nachteilig einwirkend, weil der Heimberger, wenn er sich kaum die erforderlichen Kenntnisse zu Verwaltung seines Dienstes erworben hat, seinen Abschied nimmt und wieder ein Unwissender einrückt, der noch nicht einmal weiß, was in den letzten Wochen der Dienstverwal-tung seines Antecessorsivorgefallen ist.

Ich habe dieser meiner unvorgreiflichen Ansicht nach fehlerhafte Einrichtung, welche auch im Grunde Seel- und Burbach besteht, hier bloß berührt  weil ich mich dazu am Schluße des hohen Rescripts vom 15 Juni 1811 aufgefordert glaube. Eine detailliertere Darstellung der nachteiligen Folgen des steten Wechsels der ersten Ortsvorgesetzten und Vorschläge zur Abschaffung eines solchen Wechsels vermittels Bestimmung eines angemessenen Dienstgehaltes muß ich aber als hierher nicht gehörig zur Seite liegen lassen.

Die Vorsteher sind Gehilfen und gleichsam Kontrollörs des Heimbergers und die Vormünder der Gemeinde, woraus sich ihr Wirkungskreis von selbst festsetzt. Ihre Dienstzeit ist auf Sechs Jahre bestimmt. Der Wirkungskreis der Kirchenältesten ist so bekannt, als die Gewißheit, daß wenige derselben ihre Dienstpflichten erfüllen, deshalb äußerte auch vor einiger Zeit ein gewisser Prediger, er wolle sie aussterben lassen. Ist hier Dienstnachlässigkeit des Untergebenen Folge solcher Äußerungen des Vorgesetzten oder umgekehrt? Die Beantwortung dieser Frage gehört nicht hierher.

Der Wirkungskreis des GemeindeRechnungsführer faßt bloß dessen Pflicht in sich die Gemeinde-Revenüen einzukassieren und die Ausgabennach Anweisung des Heimbergers zu bestreiten, auch dem einschlagenden Amt jährlich Rechnung ablegen. Seine Dienstzeit ist auf ein Jahr bestimmt. Wo kein Rechnungsführer angestellt ist, versieht der Heimberger diesen Dienst unter der Kontrolle von Seiten der Vorsteher.

Ad 7:    Seelenzahl

Holzhausen 693 Seelen, davon 684 reformierte, 3 Lutheraner, 6 Katholiken.
Niederdresselndorf 426 Seelen, davon 419 Reformierteund 7 Katholiken
Oberdresselndorf 218 Reformierte.
Lützeln 218 Reformierte
Zusammen 1555, worunter 3 Lutheraner und 13 Katholiken. Eine große Befölkerung für einen kleinen Distrikt Landes.

Ad 8:    Nahrungszweige

Die Hauptnahrungszweige

  • Ackerbau
  • Fahren fremder Güter auch Handel von zugleich mit Hopfen, Mehl und Branntwein
  • Viehzucht
  • Handwerke

Ad a:

Obgleich der Ackerbau die vorzüglichste Nahrungsquelle eröffnet, so ist sein Ertrag doch bei weitem nicht hinreichend, die im Verhältnis zu dem kleinen Flächengehalte des Hickengrundes all zu große Menschenmenge zu erhalten, weil auch der Ackerbau wegen des schlechten Bodens und Klimas gar zu sparsam die Mühe lohnt. Der geringste Teil erzielt daher nur seine Früchte fürs ganze Jahr und gar viele, wohl die Hälfte der Einwohner, kaum fürs halbe.

Ad b:

Das Fahren auf der Straße und Handel mit fremden Produkten ist zwar für viele Einwohner eine Haupterwerbsquelle und die Quelle ihres Wohlstandes, für manche aber auch die erste Ursache ihrer Armut. Gar mancher hat schon sein ganzes Vermögen verfahren und verhandelt. Zugleich führt dieser leichte lockende Erwerbszweig zur Vernachlässigung der Hauptnahrungsquelle, des Ackerbaus, der entweder den Weibs-leuten überlassen bleibt oder nur gar zu oft in aller Eile versehen wird, um nur mit dem Pferde wieder auf die Straße zu kommen. Indessen würde ohne diesen Erwerbszweig ein großer Teil der Einwohner des Hickengrundes auswandern müssen.

Ad c:

Die Viehzucht steht in keinem besonderen Flor und sinkt seit einiger Zeit im allgemeinen noch mehr, weil die großenteils in dem herrschaftlichen Wald Die Höh zustehende Viehzucht durch neue Anpflanzungen und Befriedungen sehr beschränkt wird, welches sich vorzüglich in Beziehung auf die Gemeinde Holzhausen nachteilig äußert.

Ad d:

Mehrere Maurer und Zimmerleute, die ihre Handwerke auswärts betrieben, sind die vorzüglichsten Handwerker. An vielen anderen fehlt es; dieser Nahrungszweig ist daher unbedeutend, zumal jene noch meistens Pfuscher sind, weil sie auf ihre Handwerke äußerst selten wandern.

Diese allgemeinen Bemerkungen passen auch auf jede Gemeinde im Einzelnen, und keine zeichnet sich von der anderen durch Wohlstand aus, wohl aber die Gemeinde Holzhausen wegen ihrer all zu großen Bevölkerung von den übrigen durch ihre Armut.

Ad 9:    Betriebsamkeit, Vermögenszustand

Die Einwohner zeichnen sich nicht gerade durch Fleiß aus, sind aber auch nicht faul, sondern verrichten ihre Geschäfte mit löblicher, jedoch bloß hergebrachter Betriebsamkeit, ohne diese bedeutend zu erhöhen und mit erforderlichen Nachdenken Verbesserungen des Ackerbaus oder zweckmäßigere Viehzucht einzuführen. Dabei ist aber nicht zu verkennen, daß in den letzten Jahren durch verschiedene Consolida-tionen und in Holzhausen durch die tätigen Einwirkungen des dasigen Heimbergers FAY gute Fortschritte zur Verbesserung des Ackerbaus und der Viehzucht gemacht worden sind, und man hofft mit Grund, daß dergleichen Einwirkungen der Obrigkeit und kraftvolle Beispiele von den Einwohnern untereinander für die Zukunft den im allgemeinen nur am alten Schlendrian hängenden Geist der Einwohner zu höherer Betriebsamkeit und größerem Fleiße wecken werden, wozu der zu früh verstorbene Kirchenrat JÜNGST (Pfarrer) die Bahn zu brechen angefangen hatte.

Bei vielen einzelnen herrscht allerdings in Beziehung auf ihren Ak-kerbau große Trägheit, wovon der Grund in ihrem Fahren auf der Straße und Handel zu suchen ist. Sie gewöhnen sich an diese mit keiner großen Anstrengung verbundenen Lebensart, wobei sie gut essen und trinken, und jede anstrengende Arbeit wird ihnen natürlicherweise um so lästiger, als dabei ihre Nahrungsmittel notwendig frugaler sind. Die Folge jener Trägheit ist bei den meisten Armut. Mehrmaliger Verlust im Handel, das Fallen eines Pferdes zieht diese nach sich, weil die wenigsten Individuen Anlage genug besitzen, solchen Schaden decken zu können, ihre Zuflucht dann zur Verpfändung oder Verkauf ihres Vermögens nehmen müssen, von neuem verfahren und verhandeln und als Bettelleute endigen.

Das ist der wahre Grund und die unverkennbare Folge der Trägheit der Einzelnen. Gar viele Familien im Hickengrunde sind auf diesemWege besonders in den letzten Zeiten, wo ohnehin weder mit Fuhrwesen noch mit Handel etwas zu verdienen war, an den Bettelstab geraten und geraten noch immer daran.

Ad vocem:    Handel

Inländische Produkte sind kein Gegenstand dieses Handels, sondern gewöhnlich HOPFEN, der meistens aus Braunschweig geholt und in anderen Gegenden verfahren wird. Weißmehl am Rhein und in den Lahngegenden geholt und in hiesige Gegende verkauft, wogegen EISERNE FAßREIFEN pp aus dem benachbarten Siegenschen, Goßherzogtums Berg aus hiesiger Gegend an Rhein mitgenommen werden. KIENRAUCH aus Sachsen geholt und in anderen Gegenden verfahren, ganz vorzüglich aber BRANNTWEIN, Malz, das die Einwohnen selbst machen, die Gerste dazu aber kaufen müssen. Die Einwohner sind im allgemeinen eher arm als wohlhabend zu nennen und nur wenige leben im Wohlstand.

Die Bewohner von Lützeln, Ober- und Niederdresselndorf erfreuen sich jedoch eines besseren Nahrungsstandes als die zu Holzhausen, weil jene eine zu den Gemarkungen nicht so sehr in Mißverhältnisse als bei dieser stehende Bevölkerung haben, bessere und großere Viehweiden besitzen und mehr Fleiß auf Ackerbau und Viehzucht verwenden, weniger sich aber mit Fuhrwerk auf der Straße und Handel beschäftigen als die Einwohner Holzhausens.

Vor mehreren Jahren wanderten viele Familien aus dem Hickengrunde bloß wegen Armut nach Südpreußen auf die dortigen Besitzungen des Prinzen von Oranien aus, die meisten kehrten aber leider noch ärmer nach verschiedenen Jahren wieder zurück.