Das Wildweiberhäuschen von O`dorf
Die Weiber vom Buchenborn
Die Revolution im Hickengrund
Die Mistgabeln in Schweden
Die Hicken und die Eisenbahn
Fahrkunst....
Die 12 Hicken-Apostel
Schlittche-fahrn
Beim Zahnarzt
Hu lose mr...
De ahl Eckeschneirer
Stanislaus Jaroslav Zavadll

»Dr ah Eckschneirer«

Wer erinnert sich noch an unsere schlittenfahrende Kinder- und Jugendzeit, wenn auf der Schlittenbahn erschrocken und ängstlich zur Seite gesprungen werden mußte ? Auf dem Weg zum Startplatz konnte man  bei keuchendem Schritt bergan  ein-  oder mehrchörig von diesem schrillen Ruf: »Achtung, Kurve raus!« aus seiner Unaufmerksamkeit geweckt werden. Besonders bei den abendlichen Schlittenfahrten zur Kriegszeit waren die Straßen wegen Verdunkelung vor dem Feinde nicht ausgeleuchtet. Der geringe Fuhrwerksverkehr ruhte zur Abendzeit fast gänzlich1 und man war relativ sicher auf unseren Dorfstraßen.
Einmal ist es dann doch passiert: Eckschneiders Opa, mit bürgerlichen Namen Gustav Schneider, (ortsüblich wurde er auch nur kurz »dr ahl Eckschneirer« genannt) war auf dem Weg zur Versammlung Hintergasse. Den Krückstock in der Hand und sein Kissen unter dem Arm beging er den etwas ansteigenden Weg zum Versammlungshaus. Sein heller Vollbart hob kaum ab von der gleißenden Schneelandschaft. Es war bitter kalt und sehr glatt. Man schrieb das Kriegswinterhalbjahr 1940/41.
Schon nahte das Unheil: Ein mehrsitziger Schlitten, auch »Renner« genannt, kam heran. Der eindringliche Ruf: »Raus da, Bahn frei«, wurde nur noch durch das Rattern der Kufen auf der spiegelglatten Straße übertönt. Doch zu spät. Auf der Höhe des Anwesens Arras/Krautwald hatte es ihn schon erwischt. Zu Boden geworfen, erlitt Gustav Schneider einen Beckenbruch, der ihn fortan als über 80jährigen ans Haus fesselte. Seit diesem Zeitpunkt ist er nie wieder auf die Beine gekommen. Nach einigen Jahren der häuslichen Pflege verstarb er dann hochbetagt an den Folgen des Unfalls.
Heute werden wir kaum noch von den Schlitten der Dorljugend überrollt. Solcher Art Schlittenfahrt, ob oben aus »dr Sang« oder »voe dr Schuel«, »voem Kippelche« oder »Dengels-Ree« gibt es schon lange nicht mehr. Es bleiben einige Erinnerungen an die gefährliche, aber doch erlebnisreiche Jugendzeit im Gedächtnis wach. Die Glanzzeiten des Rodelns scheinen jedoch endgültig vorbei. Nur bei gelegentlichen Treffs einiger Überlebender aus jener Zeit ist dies noch ein Gesprächsthema: »Wäest dau noch, als mr oawens voem Schlittchefoarn bibbernd no Heem koamen, on de Mamme de nasse Sache voemLeib ströebte?«

Willi Keller
entnommen aus "Heimatspiegel"